Was ist richtig? Was ist falsch?
Wer ist richtig? Wer ist falsch?
Rezension zu Annette von Droste-Hülshoffs Novelle «Die Judenbuche»
Annette von Droste-Hülshoff wurde 1797 in Westfahlen geboren und wird als eine der wichtigsten Schriftstellerinnen des 19ten Jahrhunderts angesehen. Als Schriftstellerin in der damaligen Zeit erntete sie zunächst Kritik und ihren Werken gelang erst einige Jahre vor ihrem Tod der Durchbruch. Ihre Novelle «Die Judenbuche» wurde nach mehreren Überarbeitungen im Jahre 1842 erstmals gedruckt. Droste-Hülshoffs Karriere ist auf ihr gut angesehenes, adelig-konservatives Elternhaus zurückzuführen, das stets die Mittel hatte, ihr Talent zu fördern und sie auszubilden. Dadurch wurden ihr als Frau Möglichkeiten geboten, die zu dieser Zeit nicht vielen gewährt wurde.
Das Werk behandelt die Lebensgeschichte eines Mannes, namentlich Friedrich Mergel. Als Leser/-in begleitet man den Halbwaisen von Kind auf und kann seine Wandlung und die Entwicklung seines Charakters beobachten. Dieser steigt in der Dorf-Hierarchie nach und nach auf, bis anschliessend alles zusammenbricht und er ins Exil flüchten muss. Dabei wird er massgebend von den Protagonisten, die ihn umgeben, beeinflusst. Als Schauplatz dient dabei ein kleines westfälisches Dorf zwischen 1730 und 1789. Die Autorin bietet damit einen Einblick in die damalige Gesellschaft, deren Probleme und ihr eigenes Schicksal.
Die Novelle erzählt gleichzeitig die Geschichte zweierlei Morde. Hierbei hat sich die Autorin auf wahre Begebenheiten der damaligen Zeit bezogen und setzt damit einen regionalen und historischen Kontext. Dadurch wird man als Leser/-in selbst zum Detektiv, auch wenn die Geschehnisse nie vollständig aufgeklärt werden. Mit ihren nüchternen Beschreibungen und dem offenen Ende lässt Droste-Hülshoff Spielraum für eigene Interpretationen und Spekulationen. Damit wird der Leser/-die Leserin aufgefordert selbst über Moral, Schuld, Wahrheit und Wirklichkeit zu urteilen.
Der Inhalt der Novelle ist dabei klar strukturiert und in fünf grundlegende Ereignisse in Friedrichs Leben eingeteilt. Diese spielen eine entscheidende Rolle für den Verlauf der Handlung.
1747: Friedrichs Vater wird tot aufgefunden. Friedrich ist neun Jahre alt.
1750: Sein Onkel Simon Semmler adoptiert ihn, heuert Friedrich als Arbeiter an und verspricht ihm sein Erbe, als er zwölf Jahre alt ist.
1755: Friedrich ist an dem Mord an Förster Brandis beteiligt. Friedrich ist 18 Jahre alt.
1760: Der Jude Aaron wird ermordet. Friedrich flieht ins Ausland, als er zweiundzwanzig Jahre alt ist.
1788 /1789: Nach achtundzwanzig Jahren kehrt Friedrich zurück. Er ist fünfzig Jahre alt. Neun Monate später erhängt er sich.
Die Verschleierung der beiden Morde wird durch den Erzählstil der Autorin zusätzlich begünstigt. Hierbei nimmt der Leser/-die Leserin einmal die Perspektive der Dorfbewohner ein, die im Dunkeln tappen. Ein anderes Mal wird einem der Eindruck vermittelt über alles Beschied zu wissen. Zum Schluss ist man dennoch gezwungen sich einzugestehen, den Mörder nicht identifizieren zu können. Die Frage der Schuld ist damit ein zentraler Punkt in dem Werk, der nicht aufgedeckt wird.
Die Sprache von Annette von Droste-Hülshoff ist aus heutiger Sicht anspruchsvoll und an vielen Stellen veraltet. Die Verwendung von alten Begriffen sorgt für Verwirrung. So wird beispielsweise der Atem hier als «Odem» bezeichnet (S.15).
Der Schriftstellerin gelingt es die Charaktere einander gegenüberzustellen und deren gegenseitigen Einfluss deutlich zu machen. Hier dient der junge Friedrich Mergel wohl als bestes Beispiel. Dieser wird nach dem Tod seines Vaters von seinem kriminellen Onkel Simon Semler adoptiert, der ihn in seine zwielichtigen Machenschaften miteinbezieht. Damit übt er einen schlechten Einfluss auf ihn aus und zieht ihn mit in die Abgründe der menschlichen Seele. Friedrich wiederum beeinflusst Johannes Niemand, den Sohn seines Onkels, negativ.
An mehreren Passagen werden zudem Gegenstände mithilfe von menschlichen Eigenschaften beschrieben (Personifikation). So wird beispielsweise auf Seite 16 der Mond zu etwas Handelndem, das aktiv Dinge aufzeigt. („Der Mond schien klar hinein und zeigte, dass hier vor Kurzem die Axt unbarmherzig gewütet hatte“).
«Die Judenbuche» ist explizit keiner literarischen Gattung zuzuordnen. Das Werk weist Aspekte einer Kriminalgeschichte, einer Detektivgeschichte und eines Sittengemäldes auf. Doch diese Tatsache spielt schlussendlich während dem Lesen keine Rolle, da das Buch viele packende Wendungen enthält, die zum Weiterlesen anregen. Viele Fragen bleiben unbeantwortet, so fragt man sich beispielsweise: Wer ist der Mörder/-die Mörderin? Was hat die Inschrift auf der Buche zu bedeuten? Wie geht es in dem Dorf B. weiter? Dies würden sicherlich einige Leser als Kritikpunkt sehen, während es bei anderen die eigene Fantasie anregt. Die Düsterkeit des Buches, die Morde, die Gewalt und die Thematik der menschlichen Moral machen es insgesamt zu einem eher bedrückenden Leseerlebnis. Nur wenige positive Charakterzüge sind bei den Protagonisten zu erkennen. Das regt jedoch den Leser/-die Leserin an das Gute in den Menschen zu suchen. Haben sie warmherzige Charaktere feststellen können?
Das Buch ist im Allgemeinen eher anspruchsvoll und richtet sich daher an interessierte Leser, die sich näher mit der Lektüre beschäftigen möchten. Dabei muss man beispielsweise als Schüler/-in immer wieder zu einem Glossar greifen, in dem Begriffe erklärt werden, um der Handlung vollständig folgen zu können. Dennoch kann man aus dem Buch einige Erkenntnisse ziehen und diese auf viele verschiedene Weisen interpretieren. Zudem erhält man ein realistisches Bild der damaligen Zeit und begleitet die Dorfbewohner in ihrem alltäglichen Leben. Das Wissen, dass die Geschehnisse auf einer wahren Begebenheit beruhen, macht die Geschichte glaubwürdig und aufregend. Das Gefühl des Dabeiseins wird dadurch verstärkt.
Mit zusätzlichen Informationen zu dem Werk und eigenen Ideen bereitet die Novelle ein interessantes Lebeerlebnis und regt zum Nachdenken an. Dabei werden viele, wichtige moralische Wertvorstellungen, der damaligen Zeit, in Frage gestellt.
Wer ist richtig? Wer ist falsch?
Rezension zu Annette von Droste-Hülshoffs Novelle «Die Judenbuche»
Annette von Droste-Hülshoff wurde 1797 in Westfahlen geboren und wird als eine der wichtigsten Schriftstellerinnen des 19ten Jahrhunderts angesehen. Als Schriftstellerin in der damaligen Zeit erntete sie zunächst Kritik und ihren Werken gelang erst einige Jahre vor ihrem Tod der Durchbruch. Ihre Novelle «Die Judenbuche» wurde nach mehreren Überarbeitungen im Jahre 1842 erstmals gedruckt. Droste-Hülshoffs Karriere ist auf ihr gut angesehenes, adelig-konservatives Elternhaus zurückzuführen, das stets die Mittel hatte, ihr Talent zu fördern und sie auszubilden. Dadurch wurden ihr als Frau Möglichkeiten geboten, die zu dieser Zeit nicht vielen gewährt wurde.
Das Werk behandelt die Lebensgeschichte eines Mannes, namentlich Friedrich Mergel. Als Leser/-in begleitet man den Halbwaisen von Kind auf und kann seine Wandlung und die Entwicklung seines Charakters beobachten. Dieser steigt in der Dorf-Hierarchie nach und nach auf, bis anschliessend alles zusammenbricht und er ins Exil flüchten muss. Dabei wird er massgebend von den Protagonisten, die ihn umgeben, beeinflusst. Als Schauplatz dient dabei ein kleines westfälisches Dorf zwischen 1730 und 1789. Die Autorin bietet damit einen Einblick in die damalige Gesellschaft, deren Probleme und ihr eigenes Schicksal.
Die Novelle erzählt gleichzeitig die Geschichte zweierlei Morde. Hierbei hat sich die Autorin auf wahre Begebenheiten der damaligen Zeit bezogen und setzt damit einen regionalen und historischen Kontext. Dadurch wird man als Leser/-in selbst zum Detektiv, auch wenn die Geschehnisse nie vollständig aufgeklärt werden. Mit ihren nüchternen Beschreibungen und dem offenen Ende lässt Droste-Hülshoff Spielraum für eigene Interpretationen und Spekulationen. Damit wird der Leser/-die Leserin aufgefordert selbst über Moral, Schuld, Wahrheit und Wirklichkeit zu urteilen.
Der Inhalt der Novelle ist dabei klar strukturiert und in fünf grundlegende Ereignisse in Friedrichs Leben eingeteilt. Diese spielen eine entscheidende Rolle für den Verlauf der Handlung.
1747: Friedrichs Vater wird tot aufgefunden. Friedrich ist neun Jahre alt.
1750: Sein Onkel Simon Semmler adoptiert ihn, heuert Friedrich als Arbeiter an und verspricht ihm sein Erbe, als er zwölf Jahre alt ist.
1755: Friedrich ist an dem Mord an Förster Brandis beteiligt. Friedrich ist 18 Jahre alt.
1760: Der Jude Aaron wird ermordet. Friedrich flieht ins Ausland, als er zweiundzwanzig Jahre alt ist.
1788 /1789: Nach achtundzwanzig Jahren kehrt Friedrich zurück. Er ist fünfzig Jahre alt. Neun Monate später erhängt er sich.
Die Verschleierung der beiden Morde wird durch den Erzählstil der Autorin zusätzlich begünstigt. Hierbei nimmt der Leser/-die Leserin einmal die Perspektive der Dorfbewohner ein, die im Dunkeln tappen. Ein anderes Mal wird einem der Eindruck vermittelt über alles Beschied zu wissen. Zum Schluss ist man dennoch gezwungen sich einzugestehen, den Mörder nicht identifizieren zu können. Die Frage der Schuld ist damit ein zentraler Punkt in dem Werk, der nicht aufgedeckt wird.
Die Sprache von Annette von Droste-Hülshoff ist aus heutiger Sicht anspruchsvoll und an vielen Stellen veraltet. Die Verwendung von alten Begriffen sorgt für Verwirrung. So wird beispielsweise der Atem hier als «Odem» bezeichnet (S.15).
Der Schriftstellerin gelingt es die Charaktere einander gegenüberzustellen und deren gegenseitigen Einfluss deutlich zu machen. Hier dient der junge Friedrich Mergel wohl als bestes Beispiel. Dieser wird nach dem Tod seines Vaters von seinem kriminellen Onkel Simon Semler adoptiert, der ihn in seine zwielichtigen Machenschaften miteinbezieht. Damit übt er einen schlechten Einfluss auf ihn aus und zieht ihn mit in die Abgründe der menschlichen Seele. Friedrich wiederum beeinflusst Johannes Niemand, den Sohn seines Onkels, negativ.
An mehreren Passagen werden zudem Gegenstände mithilfe von menschlichen Eigenschaften beschrieben (Personifikation). So wird beispielsweise auf Seite 16 der Mond zu etwas Handelndem, das aktiv Dinge aufzeigt. („Der Mond schien klar hinein und zeigte, dass hier vor Kurzem die Axt unbarmherzig gewütet hatte“).
«Die Judenbuche» ist explizit keiner literarischen Gattung zuzuordnen. Das Werk weist Aspekte einer Kriminalgeschichte, einer Detektivgeschichte und eines Sittengemäldes auf. Doch diese Tatsache spielt schlussendlich während dem Lesen keine Rolle, da das Buch viele packende Wendungen enthält, die zum Weiterlesen anregen. Viele Fragen bleiben unbeantwortet, so fragt man sich beispielsweise: Wer ist der Mörder/-die Mörderin? Was hat die Inschrift auf der Buche zu bedeuten? Wie geht es in dem Dorf B. weiter? Dies würden sicherlich einige Leser als Kritikpunkt sehen, während es bei anderen die eigene Fantasie anregt. Die Düsterkeit des Buches, die Morde, die Gewalt und die Thematik der menschlichen Moral machen es insgesamt zu einem eher bedrückenden Leseerlebnis. Nur wenige positive Charakterzüge sind bei den Protagonisten zu erkennen. Das regt jedoch den Leser/-die Leserin an das Gute in den Menschen zu suchen. Haben sie warmherzige Charaktere feststellen können?
Das Buch ist im Allgemeinen eher anspruchsvoll und richtet sich daher an interessierte Leser, die sich näher mit der Lektüre beschäftigen möchten. Dabei muss man beispielsweise als Schüler/-in immer wieder zu einem Glossar greifen, in dem Begriffe erklärt werden, um der Handlung vollständig folgen zu können. Dennoch kann man aus dem Buch einige Erkenntnisse ziehen und diese auf viele verschiedene Weisen interpretieren. Zudem erhält man ein realistisches Bild der damaligen Zeit und begleitet die Dorfbewohner in ihrem alltäglichen Leben. Das Wissen, dass die Geschehnisse auf einer wahren Begebenheit beruhen, macht die Geschichte glaubwürdig und aufregend. Das Gefühl des Dabeiseins wird dadurch verstärkt.
Mit zusätzlichen Informationen zu dem Werk und eigenen Ideen bereitet die Novelle ein interessantes Lebeerlebnis und regt zum Nachdenken an. Dabei werden viele, wichtige moralische Wertvorstellungen, der damaligen Zeit, in Frage gestellt.